Ketogene Ernährung bei Diabetes:
Heilung oder Gefahr?

Ketogene Ernährung - Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) senken

Studien haben gezeigt: Diabetiker, die sich über einen längeren Zeitraum ketogen ernähren, können hierdurch ihren Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) senken und ihre Diabetes Medikation reduzieren.

Kann unsere Nahrung tatsächlich wieder unsere Medizin sein?

Welche Vorteile kann eine ketogene Ernährung bzw. Low-Carb Ernährung, die mittlerweile in aller Munde ist und mitunter als Wunder-Diät angepriesen wird, bei Diabetes bringen?

Auf Kohlenhydrate oder auf Fette weitestgehend zu verzichten, sind die zwei bekanntesten Diät-Klassiker. Und bei der Frage, welche der beiden Varianten besser oder effizienter ist, scheiden sich die Geister. Während die Low-Carb-Fraktion (kohlenhydratarme Ernährung) damit wirbt, Blutzucker- und Insulinspitzen zu vermeiden, möchte die Low-Fat-Befürworter (fettarme Ernährung) die Zufuhr gesättigter Fettsäuren reduzieren, um Entzündungsprozesse und erhöhtes Cholesterin zu vermeiden. Letzt genannte Theorie ist mindestens insofern interessant, als dass die Qualität und richtige Zusammensetzung der verzehrten Fettsäuren ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit einer gesunden Ernährungsweise ist.

Und wenn bei Ihnen ein Diabetes oder eine Diabetes-Vorstufe vorliegt, dann kommt an dieser Stelle noch eine andere Brisanz ins Spiel: Es liegt eine Insulinresistenz und somit eine Art „Kohlenhydrat- Unverträglichkeit“ vor. Und der Schluss liegt nahe, dass in diesem Fall doch ein Verzicht auf Kohlenhydrate vorteilhaft sein könnte.

In dem nachfolgenden Text soll es also nun darum gehen, wie sich eine ketogene Ernährung (Kohlenhydratanteil max. 20-50g/Tag) auf einen Diabetes auswirkt und in welcher Wechselwirkung sie mit weiteren Aspekten der Gesundheit steht.

Ketogene Ernährung: Was ist das?

Was bedeutet Ketogen bzw. Ketose?

Bei der ketogenen Ernährung verwehren wir dem Körper den Zugang zu Kohlenhydraten, welche normalerweise unsere Hauptenergielieferanten sind (in Form von Glucose). In der Folge schaltet der Körper nach einigen Tagen (wenn die Kohlenhydratspeicher leer sind) vom Kohlenhydrat- (Glykolyse) in den Fettstoffwechsel (Lipolyse). Und die Leber beginnt, aus Fetten Ketone zu bilden. Ketone werden dann ins Blut ausgeschüttet und in die Mitochondrien (=die Kraftwerke innerhalb unserer Zellen) eingeschleust. Hier dienen sie nun als Ersatzenergiequelle für den fehlenden Zucker (Glucose). Wir sprechen in diesem Fall dann von dem Stoffwechselzustand der Ketose. Ketonkörper können unserem Körper also ebenfalls als Energieträger dienen. Insbesondere kann auch das Gehirn Ketonkörper zur Energiegewinnung heranziehen. Ganz ähnlich verhält es sich übrigens, wenn wir fasten. So kann man die ketogene Ernährung auch als fastenimitierende Ernährung bezeichnen.

Ketogene Ernährung - Tomaten, Spargel, Eier

Nur sehr wenig Kohlenhydrate zu essen, bedeutet, bewusst auf solche Lebensmittel mit hohem Kohlenhydrat-Anteil zu verzichten. Tomaten, Spargel und Eier sind im Rahmen einer ketogenen Ernährung bei Diabetes erlaubt.

Biochemische Auswirkungen der Ketose:

  • Mitochondrien sind jene Zellorganellen, in denen die Energiegewinnung stattfindet. Wird nun hier die Energie nicht aus Glucose gewonnen, sondern stattdessen aus Fett, dann entstehen im Rahmen dieses Verbrennungsprozesses weniger freie Radikale. Somit wird auch der oxidative Stress und Entzündung im Körper insgesamt reduziert.
  • Der metabolische Switch in den Fastenzustand bewirkt, dass ein spezielles Enzym (AMPK) aktiviert wird. Dieses bewirkt in der Konsequenz eine Stimulation der Autophagie (Zellreinigung), des Zellschutzes sowie eine Ankurbelung der Mitochondrien- und Energieproduktion
  • Die Leistungsfähigkeit der Immunzellen verbessert sich (sogen. T-Zell Immunität)
  • Die zelluläre Abhängigkeit von Glukose verringert sich
  • Der Ketonkörper Butyrat wirkt entzündungshemmend
  • Die Fettverbrennung ist gesteigert

Die Nährstoffverteilung bei einer ketogenen Diät:

  • 10% Kohlenhydrate
  • 20% Protein
  • 70% Fett

TIPP: Wenn Sie herausfinden möchten, ob Sie sich im Zustand der Ketose befinden, dann gelingt dies ganz einfach mit Urinteststreifen für Ketonkörper (in der Apotheke erhältlich).

Was ist der Unterschied zwischen Ketogener Ernährung, Low-Carb und Mittelmeerdiät?

Die Low-Carb Ernährung beschreibt zunächst einmal eine Ernährungsweise, bei der weniger Kohlenhydrate zugeführt werden, als es der Otto Normalverbraucher tut (durchschnittlicher Kohlenhydrat-Verzehr in Deutschland liegt bei 45-50%). Es ist also ein Überbegriff und verschiedenste Diäten fallen darunter.

So könnte man zum Beispiel auch die Mittelmeerdiät dazu zählen, denn der durchschnittliche Anteil der Kohlenhydrate macht hier typischerweise weniger als 40% aus. Es werden zwar unter anderem auch Vollkorn-Produkte bevorzugt, gleichzeitig aber sehr wenige Süßigkeiten konsumiert. Als Öl- und Fettquelle dient überwiegend das native Olivenöl. Für die mediterrane Ernährungsweise konnte u.a. nachgewiesen werden, dass sie das Schlaganfall- oder Herzinfarktrisiko reduziert.

Wie schon oben beschrieben geht es bei der ketogenen Ernährung hingegen darum, den Kohlenhydrat-Anteil in der Nahrung möglichst gering und mindestens unter 50g/d (entspricht einem Anteil von ca. 10%) zu halten. Sie ist eine extreme Variante der Low-Carb Ernährung. Das Ziel ist hierbei, den Stoffwechsel komplett „umzuschalten“ auf Fettverbrennung. Für die ketogene Ernährung konnten bereits gute Erfolge erzielt und nachgewiesen werden im Hinblick auf:

  • Erfolgreiche und nachhaltige Gewichtsabnahme
  • Stabile Blutzuckerregulation und Senkung des Insulinbedarfs bei Diabetikern
  • Erfolgreiche Therapie der Epilepsie
  • Verbesserte Ausdauerleistung bei Sportlern
  • Vermutlich positive Auswirkungen auf verschiedene neurodegenerative Erkrankungen
  • Vermutlich Beschwerdelinderung bei PCOS (Polycystisches Ovarialsyndrom)
  • Erste Pilotstudien zeigen eine verbesserte kognitive Funktion bei Alzheimer Patienten

Zudem ist die ketogene Ernährungsform eine Ernährung, die seit über 100 Jahren immer wieder für Krebspatienten in der Fachliteratur beschrieben wurde. Denn Krebszellen brauchen unbedingt Zucker zum Wachsen. Mit Fetten und Ketonen können Krebszellen hingegen nicht viel anfangen.

„Die mediane Zufuhr an Kohlenhydraten insgesamt liegt bei Männern bei 270 g/Tag und bei Frauen bei 220 g/Tag. Das entspricht einem Anteil an der Energiezufuhr von 45% für die Männer und 49% für die Frauen.“ (Nationale Verzehrstudie II)

Kann eine ketogene Ernährung einen Diabetes positiv beeinflussen?

Viele wissenschaftliche Arbeiten konnten herausragende Ergebnisse aufzeigen, wenn Typ II Diabetiker für einen bestimmten Zeitraum eine ketogene bzw. very-low-carb Ernährung befolgten: Durch die veränderte Ernährungsweise kam es zu Gewichtsverlust und reduzierten Blutfett- und Blutzuckerwerten. Viele Teilnehmer konnten in der Folge erfolgreich ihre Diabetes-Medikamente und/oder ihr Insulin absetzen.

Es gibt zudem Hinweise darauf, dass Menschen mit bestehender Insulinresistenz (und/oder Übergewicht) besser auf eine Low-Carb Ernährung ansprechen im Vergleich zu Menschen ohne Insulinresistenz.

Wie lassen sich diese positiven Wirkungen erklären?

Bei Diabetikern ist die Sensibilität der Zelle gegenüber Glukose, oder genauer gesagt gegenüber Insulin, gestört. Denn Glukose benötigt Insulin, um in die Zelle zu gelangen und als Energielieferant dienen zu können. Und so benötigen Diabetiker dann mit der Zeit immer mehr Insulin. Wenn die Zelle nun aber garkein Glukose mehr benötigt, weil sie stattdessen Ketone zur Energiegewinnung nutzt, dann sinkt auch der Insulinbedarf wieder. Und da Insulin zugleich den Abbau der Fettreserven im Körper stoppt, ist die logische Schlussfolgerung einer ketogenen Ernährung mit reduzierter Insulinausschüttung dann eben auch eine Gewichtsabnahme.

Vorteile einer ketogenen Ernährung für Diabetiker:

  • Fett aus den Körperzellen wird abgebaut und zur Energiegewinnung genutzt -> Gewichtsreduktion
  • Aufgrund der sehr geringen Zufuhr an Kohlenhydraten bleibt der Blutzucker stabil und es wird weniger Insulin benötigt
  • Weniger Heißhunger und hohes Sättigungsgefühl durch hohen Fett- und Proteingehalt

Gibt es auch Nachteile oder Gefahren einer ketogenen Ernährung bei Diabetes?

In der Anfangsphase der Ernährungsumstellung kann es zur sogenannten Keto-Grippe kommen mit Beschwerden wie Müdigkeit und Schwäche, Kopfschmerzen, Heißhunger oder Verdauungsbeschwerden. Diese ist begründet in der Stoffwechselumstellung, welche ein paar Tage dauern kann. Anschließend verschwinden die Symptome in aller Regel wieder.

Natürlich sollte beim Diabetiker der Blutzuckerspiegel wirklich gut im Auge behalten werden, denn wie bereits oben beschrieben kommt es im Rahmen einer solch radikalen Ernährungsumstellung zu veränderten, niedrigeren Blutzucker- und Insulinspiegeln und somit kann es auch zu Blutzuckerentgleisungen kommen.

Wenn im Rahmen der ketogenen Diät ein sehr hoher Anteil tierischer Produkte konsumiert wird (nicht empfohlen!), dann kann es aufgrund der erhöhten Zufuhr von Proteinen und gesättigten Fettsäuren zu einer Übersäuerung des Organismus und zur Ausbildung von Nierensteinen kommen. Zudem besteht die Gefahr, dass der Cholesterinspiegel und auch Entzündungsparameter langfristig ansteigen. Der Fettbedarf sollte demnach möglichst fast ausschließlich aus gesunden Fettquellen wie z.B. Fisch, Nüsse, Oliven und Avocado gedeckt werden- so kann diesem Problem vorgebeugt werden.

Jede Diät mit Auslassen bestimmter Lebensmittelgruppen birgt immer auch die Gefahr einer Einseitigkeit und Unausgewogenheit, insbesondere wenn keine professionelle Begleitung stattfindet. Bei der ketogenen Ernährung kann es zum Beispiel durch den fehlenden Verzehr von Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten zu einem Mineralienmangel kommen. Insbesondere werden unter dieser Diät häufig auch zu wenig Ballaststoffe zugeführt, was wiederum die Darmflora und Darmgesundheit negativ beeinflusst.

All diese genannten, möglichen negativen Auswirkungen können aber gut vermieden werden, wenn die eigenen, körperlichen „Schwachstellen“ von vorneherein mitbedacht und bei der Lebensmittelauswahl die genannten Punkte berücksichtigt werden.

 

Ketogene Ernährung - abwechslungsreicher Speiseplan

Ganz gleich welche Diät: Einseitige Ernährung birgt immer die Gefahr, Mikro- oder Makronährstoffmängel zu entwickeln. Eine bewusste Auswahl der Lebensmittel und ein abwechslungsreicher Speiseplan ist daher immer empfohlen. Manchmal kann eine gezielte Laboranalyse sehr hilfreich sein, um etwaige Mängel aufzudecken.

Fazit

Es gibt sowohl Argumente, die für eine ketogene Ernährungsweise sprechen, also auch solche, die dagegensprechen. Bezüglich der langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen ist sich die Wissenschaft noch uneins. Möglicherweise ist hier der allesentscheidende Faktor aber nicht die ketogene Ernährung selbst, sondern vielmehr die Zusammensetzung der Lebensmittel im Rahmen der Diät. Insbesondere beim Diabetes gilt es, ein individuelles Therapieschema zu erstellen und wenigstens in der Anfangsphase ausgewählte Laborwerte engmaschig zu kontrollieren. Und nicht zuletzt sollten persönliche Ernährungsvorlieben und Gewohnheiten auch immer Berücksichtigung finden in der Ernährungstherapie. Schließlich soll die Nahrungsaufnahme nicht nur Energie einbringen, sondern auch Freude bereiten, Genuss darstellen und geselliges und soziales Miteinander fördern.

Eine weniger radikalen Ernährungsumstellung kann bei Vorliegen eines Diabetes günstiger sein und sollte immer auch geprüft werden (z.B. die oben beschriebene mediterrane Diät oder ein intermittierendes Fasten).

Weder Kohlenhydrate noch Fette sind per se gut oder schlecht. Sowohl Gemüse und Vollkornprodukte als auch Weißmehl und Süßigkeiten enthalten reichlich Kohlenhydrate. Entscheidend ist vor allem, WELCHE wir auswählen.

Wie wir Ihnen in der THERA Praxis helfen können…

In der THERA Praxis unterstützen wir Sie gerne bei der Ernährungsumstellung und -optimierung.

Häufig ist es leichter und auch erfolgreicher, den Weg gemeinsam zu gehen und regelmäßiges Feedback zu bekommen.

Kontrolluntersuchungen der Blut- und Darmwerte sowie auch eine Kontrolle der Körperzusammensetzung mittels BIA-Messung können viel Sicherheit schenken und den Erfolg der Therapie aufzeigen.

Unser sehr weitreichendes Therapieangebot außerhalb der Ernährungsmedizin kann zudem eine optimale Ergänzung darstellen.

Eine Rücksprache mit einem Arzt vor Beginn der ketogenen Diät sowie eine regelmäßige medizinische Kontrolle bei einer langfristigen Ernährungsumstellung ist in jedem Fall zu empfehlen.

 

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Quellen:

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